(Diverse Komponisten)
Besuch am
1. Dezember 2017
Sinfonietta im Gitarrenrausch
Zum fünften Mal findet das biennale Gitarrenfestival der RobertSchumann-Hochschule
in Düsseldorf statt. Die beiden Professoren für
Gitarre an der Hochschule, Joaquín Clerch und Alexander-Sergei
Ramirez, waren von der Idee getrieben, die weltbesten Gitarristen nach
Düsseldorf zu holen, um sie ihren Studenten und den Bürgern der Stadt
vorzustellen. So werden denn auch gleich drei Konzertsäle der Stadt
bespielt: der Partika-Saal als Konzertort der Hochschule, das Palais
Wittgenstein in der Altstadt und der Robert-Schumann-Saal im Museum
Kunstpalast am Ehrenhof. Für die Gitarrenstudenten sind die Konzerte in den neun Tagen eher eine
angenehme Begleiterscheinung. Sie sind heiß auf die Meisterklassen, die in der Zeit angeboten werden.
Bei den Bürgern der Stadt ist es eher umgekehrt, zumal die hochwertigen Konzerte mit ihren
ungewöhnlichen Angeboten zu einem kleinen Preis angeboten werden. Für Menschen, die den
Konzertbetrieb nicht mögen, hält das Institut für Musik und Medien, das der Hochschule angeschlossen ist,
Live-Streams bereit. Warum diese nicht anschließend auch als Video on Demand angeboten werden, ist
eines der Mysterien des Instituts.
Für den Live-Stream dieses Abends allerdings wird ein enormer Aufwand betrieben. Fünf Kameras sind im
Saal verteilt, um eine Nacht in der Alhambra aufzuzeichnen, bei der immerhin nicht weniger als zehn
bedeutende Gitarrensolisten auftreten. Im Saal ist nahezu jeder der ebenerdigen Plätze besetzt. Auch
wenn die Sicht auf die Bühne spätestens ab Reihe 19 allmählich trüb wird, ist die Akustik, was sinfonische
Belange angeht, geradezu überwältigend. Jedes zusätzliche Geräusch wie Gitarrenklänge oder das
Klatschen in die Hände allerdings überfordert die Holztäfelung. Das wissen die Betreiber und sind in der
Mikrofonierung außerordentlich erfahren. Somit sollte es also ein klanglich erfreulicher Abend werden. Ein
Fest ist er sowieso schon. Das spürt man gleich: Hier sitzen die, die eine großartige Woche hinter sich
gebracht haben.
Die Alhambra ist eine Stadtburg auf dem Sabikah-Hügel von Granada in Spanien. Sie ist eines der
schönsten Beispiele des maurischen Stils der islamischen Kunst. Wer dort eine Nacht verbringt, hat gute
Chancen, vielfältigste Musikrichtungen zu erleben. Und das ist auch das Ziel des Konzertabends. Dazu
lässt Thomas Gabrisch seine Sinfonietta Ratingen antreten. 2014 gegründet, unterstützt das Orchester
üblicherweise den Konzertchor Ratingen und ist gekennzeichnet durch seine flexible Zusammensetzung
aus Musikern der bekannten Symphonieorchester in Düsseldorf, Duisburg oder Bochum, Professoren und
besonders begabten Studenten der Hochschule. Eine brisante oder besser zündende Mischung, die
bislang durch übermäßige Spielfreude auffiel, sich aber eher am Chor-Repertoire abarbeitete. Jetzt können
die Musiker zeigen, dass sie auch auf anderen Feldern erfolgreich ackern können. Und es sei
vorweggenommen, dass die Sinfonietta mit größter Freude auf spanischen und kubanischen Äckern gräbt.
Als sei nichts selbstverständlicher auf der Welt, wird hier zeitgenössische spanische und kubanische Musik
interpretiert. Dabei sind Festival-Aufführungen nicht für ausgiebig lange Probenzeiten bekannt.
Zu Beginn des Abends stehen zwei Werke
von Joaquín Rodrigo auf dem Programm,
der als bedeutendster spanischer
Komponist des 20. Jahrhunderts gilt. Seine
Musik verbindet Neoklassizismus mit
spanischer Folklore, wobei er in der
Tonalität durchaus Dissonanzen zulässt.
Sein bekanntestes Werk ist das 1940
uraufgeführte Concierto de Aranjuez.
Darauf wird allerdings an diesem Abend
verzichtet. Stattdessen eröffnet die
hochbegabte Andrea González Caballero,
die derzeit ihr Konzertexamen an der
Hochschule absolviert, mit der Fantasía
para un gentilhombre, also einer Fantasie
für einen Edelmann. Auswendig trägt sie die feinziselierte Musik im eleganten Dialog mit dem Orchester
vor, die sehr modern, dissonant und lebhaft endet. Hier klingt schon einmal die Virtuosität des
nachfolgenden Programms an. Nach kurzer Umbaupause geht es zum dreisätzigen Concierto Andaluz,
das für gleich vier Gitarren geschrieben ist. Eduardo Inestal, Mircea Gogoncea, Alexander-Sergei Ramirez
und Miguel Angel Lázarro Diaz treten an, um im ersten Satz mit dem stark ausgeprägten Rhythmus eines
Boleros zu begeistern. Im zweiten, streckenweise filmmusikalisch klingenden Satz darf es ruhiger zugehen
bis zu wehmütigen Weisen, bei denen die Gitarrenklänge auch schon mal von säuselnden Geigen
unterlegt werden. Das Alegretto des dritten Satzes zeigt wieder eher die dialogische Form, die den Abend
beherrscht.
Nach der Pause geht es zur Musik der lebenden Komponisten. Marco Tamayo, David Martinez, Ricardo
Gallén und der Komponist selbst präsentieren mit dem Orchester die zweite Aufführung von Fantasía en
los jardines de Falla von Joaquín Clerch. Nach dramatisch-düsterem Auftakt zeigen die Musiker
anspruchsvollste Gitarrenkunst, bei der im Geigenhintergrund immer wieder Dissonanzen verwoben
werden. Im mittleren Teil trennen sich Orchester und Gitarren, indem beide längere Passagen
nacheinander für sich spielen, ehe alle zusammen noch einmal ein furioses Finale entfachen. Genau die
richtige Überleitung zum letzten Höhepunkt des Abends. Juan Manuel Cañizares führt sein eigenes Werk
Al-Andalus in einem Arrangement von Joan Albert Amargòs auf, ein Flamenco-Konzert für Gitarre und
Orchester. Gewidmet hat der Gitarrist das Stück der Flamenco-Gitarren-Legende Paco de Lucia. Begleitet
wird das ebenfalls dreisätzige Konzert von Charo Espino und Angel Muñoz, die die palmas, also das
rhythmische Klatschen der Hände, beisteuern. Zur Freude des Publikums gibt es dann auch noch einen
Tanz der beiden.
Thomas Gabrisch, der als Gastdirigent wiederholt in Spanien und Kuba aufgetreten ist, führt die Sinfonietta
präzise, zeigt sich in der Musik zu Hause und hat selber viel Spaß an dem Engagement seiner Musiker.
Das mehrheitlich fachkundige Publikum tobt vor Begeisterung, Bravo-Rufe werden laut und die Zugaben
dankbar angenommen. Damit geht ein wahrhaft krönender Abschluss des Gitarrenfestivals sehr langsam
zu Ende. Und wenn es nach den Besuchern ginge, hätte sicher noch ein kleines Konzert hintendran Platz
gehabt.
Michael S. Zerban